Die virtuelle Jagd auf die bebaubaren Flächen

Ulrich Schüppler (Immobilien Zeitung)
25/4/2022

Das Architekturbüro Brückner ist in München nicht allein, wenn es darum geht, das Bebauungspotenzial von Grundstücken digital auszuschöpfen. Paul Metzger betreibt neben seinem Masterstudium in ressourceneffizientem und nachhaltigem Bauen die Webseite Bebauungsanalyse. Der Workflow sei zu 70%  automatisiert. „Die Berechnung des Baukörpers könnten wir eigentlich in fünf bis zehn Minuten durchführen“, erklärt er. Doch bevor diese erfolgen kann, müssen alle baurechtlichen Parameter recherchiert  werden. Da aber stecke die Tücke im Detail, erläutert Metzger. Sämtliche Aspekte wollen berücksichtigt  werden, etwa die Grundstücksform und Topografie, aber auch Dienstbarkeiten, Flächennutzungspläne, Denkmal- und Baumschutz, um nur einige zu nennen.

Dennoch schafft Metzger es im Regelfall in ein bis drei Tagen, eine Anfrage zu beantworten. „Zum Glück  bieten viele Bundesländer kostenlose Schnittstellen oder Geoviewer an, worüber die meisten Informationen zumindest abgerufen werden können“, sagt er. Im Lauf des Jahres soll die Bearbeitungszeit auf  zehn bis 60 Minuten sinken. „Technisch ist das absolut möglich und im digitalen Zeitalter eigentlich  auch selbstverständlich.“

Metzger bietet den Dienst seit 2021 bundesweit an, hat zunächst rund 40 kostenlose Probeanfragen  bearbeitet und seitdem weit über 100 Bebauungsanalysen erstellt, unter anderem für Adler Group und  Engel & Völkers. Die Preise beginnen bei 195 Euro für ein 500 m² großes Grundstück. Seitens der Architekten fiel die Nachfrage bisher eher moderat aus, obwohl gerade sie vom Angebot profitieren würden.  

„Die herkömmliche Architektur-Methodik ist einfach zu langsam und zu träge, um mit der Wohnungsknappheit und der nötigen Nachhaltigkeit mithalten zu können“, findet Metzger.

In Münster haben Matthias Zühlke und David Nellessen mit syte eine Software zur Analyse des Bebauungspotenzials entwickelt, die bereits den gesamten Baubestand von Nordrhein-Westfalen enthält. „In  unserem Baulückenfinder haben wir mehrere tausend Baulücken erfasst“, erklärt CEO Zühlke. „Gut  1.000 stellen wir auf unser Plattform kostenfrei zur Verfügung und haben damit ein Ziel umgesetzt, das  die Landesarchitektenkammer mal ausgegeben hatte.“ Der Baulückenfinder bietet eine erste Übersicht  und soll das Potenzial der Software zeigen. Wer mit der Technologie von syte hingegen gezielt nach für  ihn passenden Entwicklungsflächen suchen will, muss dem Unternehmen erst seine Suchparameter  mitteilen. „Wir trainieren dann unsere künstliche Intelligenz (KI) entsprechend“, fügt Zühlke hinzu. Ab  dem Sommer soll die KI dann so weit sein, dass solche Suchanfragen in Echtzeit umgesetzt werden  können.

Die KI lernt für jedes Bundesland das Baurecht

syte hat zum einen die Potenzialanalyse im Programm, die für 350 Euro die mögliche maximale Aus Nutzung je Grundstück berechnet, die dabei versiegelten Flächen ausweist und diese gegebenenfalls  minimiert. Die Wirtschaftlichkeitsanalyse kostet 750 Euro und umfasst zusätzlich die erzielbare Miete,  eine Baukostenprognose und weitere Faktoren zur wirtschaftlichen Einschätzung. Künftig soll es zudem  eine Suchmaske geben, über die der Interessant nach Grundstücken suchen kann, die ein bestimmtes  Entwicklungspotenzial oder definierte Lagekriterien aufweisen, etwa Supermarktnähe oder ÖPNV-Anbindung. „Da jeder Architekt eine Bauvoranfrage für jedes beliebige Grundstück machen darf und wir  keine personenbezogenen Daten verarbeiten, kann jedermann eine Analyse für alle Grundstücke an fordern, für die wir Daten haben“, ergänzt David Nellessen, CTO von syte. „Was wir nicht machen können, sind Angaben zu den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke.“

Zur Jahresmitte soll neben Nordrhein-Westfalen ein weiteres Bundesland hinzukommen. „Das größere Hindernis sind die Geodaten, die je nach Bundesland in unterschiedlicher Qualität vorliegen und  teilweise nicht kostenlos sind“, erklärt Nellessen. Diese müssten dann noch aufbereitet werden. „In  Nordrhein-Westfalen etwa hatten wir 3D-Daten in Form von Punktwolken zu allen Gebäuden von den  Vermessungsbehörden vorliegen. Um aus diesen aber architektonisch bedeutsame Informationen wie  Firsthöhen ableiten zu können, sind erst einige Zwischenschritte nötig.“

Neben Projektentwicklern stellt syte-CEO Zühlke bei den Kommunen einen Bedarf für die automatische Analyse von Baulücken fest. Schließlich sehe der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vor, dass  Städte und Gemeinden Potenzialflächen offenlegen müssen, damit das ausgegebene Ziel von 400.000  neuen Wohnungen im Jahr erfüllt werden kann. Das sei manuell kaum zu schaffen. „Manche Städte setzen bereits Software ein, um Potenzialanalysen für die Bebauung durchzuführen, aber bei weitem nicht  alle“, gibt Zühlke zu bedenken.

Ulrich Schüppler (Immobilien Zeitung)
Ulrich Schüppler (Immobilien Zeitung)
Autor der Immobilienzeitung
Presse

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