Das Architekturbüro Brückner ist in München nicht allein, wenn es darum geht, das Bebauungspotenzial von Grundstücken digital auszuschöpfen. Paul Metzger betreibt neben seinem Masterstudium in ressourceneffizientem und nachhaltigem Bauen die Webseite Bebauungsanalyse. Der Workflow sei zu 70% automatisiert. „Die Berechnung des Baukörpers könnten wir eigentlich in fünf bis zehn Minuten durchführen“, erklärt er. Doch bevor diese erfolgen kann, müssen alle baurechtlichen Parameter recherchiert werden. Da aber stecke die Tücke im Detail, erläutert Metzger. Sämtliche Aspekte wollen berücksichtigt werden, etwa die Grundstücksform und Topografie, aber auch Dienstbarkeiten, Flächennutzungspläne, Denkmal- und Baumschutz, um nur einige zu nennen.
Dennoch schafft Metzger es im Regelfall in ein bis drei Tagen, eine Anfrage zu beantworten. „Zum Glück bieten viele Bundesländer kostenlose Schnittstellen oder Geoviewer an, worüber die meisten Informationen zumindest abgerufen werden können“, sagt er. Im Lauf des Jahres soll die Bearbeitungszeit auf zehn bis 60 Minuten sinken. „Technisch ist das absolut möglich und im digitalen Zeitalter eigentlich auch selbstverständlich.“
Metzger bietet den Dienst seit 2021 bundesweit an, hat zunächst rund 40 kostenlose Probeanfragen bearbeitet und seitdem weit über 100 Bebauungsanalysen erstellt, unter anderem für Adler Group und Engel & Völkers. Die Preise beginnen bei 195 Euro für ein 500 m² großes Grundstück. Seitens der Architekten fiel die Nachfrage bisher eher moderat aus, obwohl gerade sie vom Angebot profitieren würden.
„Die herkömmliche Architektur-Methodik ist einfach zu langsam und zu träge, um mit der Wohnungsknappheit und der nötigen Nachhaltigkeit mithalten zu können“, findet Metzger.
In Münster haben Matthias Zühlke und David Nellessen mit syte eine Software zur Analyse des Bebauungspotenzials entwickelt, die bereits den gesamten Baubestand von Nordrhein-Westfalen enthält. „In unserem Baulückenfinder haben wir mehrere tausend Baulücken erfasst“, erklärt CEO Zühlke. „Gut 1.000 stellen wir auf unser Plattform kostenfrei zur Verfügung und haben damit ein Ziel umgesetzt, das die Landesarchitektenkammer mal ausgegeben hatte.“ Der Baulückenfinder bietet eine erste Übersicht und soll das Potenzial der Software zeigen. Wer mit der Technologie von syte hingegen gezielt nach für ihn passenden Entwicklungsflächen suchen will, muss dem Unternehmen erst seine Suchparameter mitteilen. „Wir trainieren dann unsere künstliche Intelligenz (KI) entsprechend“, fügt Zühlke hinzu. Ab dem Sommer soll die KI dann so weit sein, dass solche Suchanfragen in Echtzeit umgesetzt werden können.
Die KI lernt für jedes Bundesland das Baurecht
syte hat zum einen die Potenzialanalyse im Programm, die für 350 Euro die mögliche maximale Aus Nutzung je Grundstück berechnet, die dabei versiegelten Flächen ausweist und diese gegebenenfalls minimiert. Die Wirtschaftlichkeitsanalyse kostet 750 Euro und umfasst zusätzlich die erzielbare Miete, eine Baukostenprognose und weitere Faktoren zur wirtschaftlichen Einschätzung. Künftig soll es zudem eine Suchmaske geben, über die der Interessant nach Grundstücken suchen kann, die ein bestimmtes Entwicklungspotenzial oder definierte Lagekriterien aufweisen, etwa Supermarktnähe oder ÖPNV-Anbindung. „Da jeder Architekt eine Bauvoranfrage für jedes beliebige Grundstück machen darf und wir keine personenbezogenen Daten verarbeiten, kann jedermann eine Analyse für alle Grundstücke an fordern, für die wir Daten haben“, ergänzt David Nellessen, CTO von syte. „Was wir nicht machen können, sind Angaben zu den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke.“
Zur Jahresmitte soll neben Nordrhein-Westfalen ein weiteres Bundesland hinzukommen. „Das größere Hindernis sind die Geodaten, die je nach Bundesland in unterschiedlicher Qualität vorliegen und teilweise nicht kostenlos sind“, erklärt Nellessen. Diese müssten dann noch aufbereitet werden. „In Nordrhein-Westfalen etwa hatten wir 3D-Daten in Form von Punktwolken zu allen Gebäuden von den Vermessungsbehörden vorliegen. Um aus diesen aber architektonisch bedeutsame Informationen wie Firsthöhen ableiten zu können, sind erst einige Zwischenschritte nötig.“
Neben Projektentwicklern stellt syte-CEO Zühlke bei den Kommunen einen Bedarf für die automatische Analyse von Baulücken fest. Schließlich sehe der Koalitionsvertrag der Bundesregierung vor, dass Städte und Gemeinden Potenzialflächen offenlegen müssen, damit das ausgegebene Ziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr erfüllt werden kann. Das sei manuell kaum zu schaffen. „Manche Städte setzen bereits Software ein, um Potenzialanalysen für die Bebauung durchzuführen, aber bei weitem nicht alle“, gibt Zühlke zu bedenken.